Aikidokrise

von Volker Becker

Moin Horst – Volker Becker, Norderstedt
105DE 1/2021 - 1

ja, mich gibt es noch und der Artikel spricht mir aus der Seele. Ich habe mich vor rund 20 Jahren von Shimizu Sensei getrennt. Da ich keinem mehr gefallen wollte, habe ich verstärkt angefangen, Dinge, die mich schon immer gestört haben, zu verändern. Wobei für mich nicht die konkrete Technik, sondern eher die Grundidee im Vordergrund steht.

Was für mich aus dem Artikel spricht, ist eine Emanzipation von tradierten Dingen.

- Wir machen genau das Aikido, was Ōsensei ausgeübt hat. Ok, sollen sie doch stolz darauf sein. Warum gehen diese Menschen davon aus, dass der Begründer auf diesem Niveau stehen geblieben wäre???

- Walter G. von Krenner erklärt ein paar Seiten vor dem Artikel den direkten Eingang bei Ikkyō aus Shomen-Uchi. Diese Möglichkeit habe ich auch sehr lange unterrichtet, obwohl sie mir falsch vorkommt. Es ist Nage, selbst wenn er gleich groß ist wie der Schlagende, nicht möglich beim direkten Eingang, ohne Konfrontation, in die Technik zu kommen. Es wird so erklärt, obwohl von Krenner mal vor einiger Zeit, meine ich, gesagt hat, wir sollten unseren eigenen Kopf benutzen.

- Ein weiterer Punkt ist der Eingang bei schrägen Schlägen. Obwohl Aikido auch als Selbstverteidigung verkauft wird, wird davon ausgegangen, dass der Angreifer nur einen Arm hat. Es wird sich bei inneren Eingängen ganz oft eingedreht und man ist im Wirkungsbereich der freien Hand.

Dies mal zu ein paar Dingen, die mich schon mehr als 25-45 Jahre umtreiben. Es ist ok wenn man es nicht besser kennt. Für mich stellt sich die Frage: Wenn man Alternativen anbietet, warum werden diese nicht angenommen? Klar sind die Leute in einem sicheren Bereich, um in diesem »Gebete zu rezitieren«. Ich plädiere nicht für mehr Härte, denn die muss nicht sein. Es sind technische Aspekte, die eine Rolle spielen.

Aikido bietet, zum Glück, eine Vielfalt an Möglichkeiten der Ausführung an. Es bietet Raum für selbstverliebte Bewegungstalente und Raum für Esoterik. Nur für mich stellt sich die Frage: Tut man dem Aikido damit nicht einen Bärendienst an? Aikido wird oft von Außenstehenden in die Ecke von Bewegungstherapie gerückt und ich kann mich dieser Betrachtung nicht wirklich verschließen.

Abschließend noch ein kleines Erlebnis im Rahmen einer Aikidōvorführung. Nach Abschluss einer Bodentechnik erklärte die Vorführende (3.Dan), dass sie den Angreifer total kontrollieren würde. Ich fragte mich: warum geht er nicht einfach weg?

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