Iriminage und die Liebe

sinnliche Erfahrungen beim Werfen und Geworfen werden

Dr. Viola zu Besuch im Chateau du Blat 2015
Dr. Viola zu Besuch im Chateau du Blat 2015

Im wettkampffreien Aikidô üben alle gemeinsam – ohne Beschränkung durch Alters- oder Gewichtsklassen – und damit auch Frauen und Männer. Allerdings wird Gender eher dekonstruiert1: Beide Geschlechter werden aus starren Rollenvorgaben befreit, sowohl durch Äußerlichkeiten wie die geschlechtsneutrale, den Körper mehr verhüllende als exponierende Kleidung als auch durch das Wesen der Aikidô-typischen Körpermikropraktiken. Frauen entwickeln Kraft und Entschiedenheit, lernen, ihren Raum zu beherrschen; Männer werden biegsamer, feinfühliger. Doch die Biologie ist damit nicht außer Kraft gesetzt.
Nähe
Im Aikidô wird man „auf eine gute Weise körperlich berührt“; dabei sind „die Übungen […] relativ intim, man ist dem anderen ja eigentlich näher, als das [sonst im Alltag]“ üblich ist. „Den anderen anfassen zu können und sich selbst zu spüren [kann manche] ein Stück weit süchtig“ machen. Doch Einzelne finden „es nicht bei jedem angenehm, beim Irimi Nage zum Beispiel, beim Werfen, den so nahe bei mir zu haben, oder so nahe bei dem zu sein“. Da stören „manchmal körperliche Sachen, Körpergerüche, Schwitzen“. Besonders kleinere Personen – oft Frauen – erleben es „mit großen Partnern [oft Männern] beim Irimi Nage, wenn ich Uke bin, dass ich dann nämlich […] ein bisschen arg unter der Achsel drinhänge, wenn dann der Anzug schon etwas alt ist, ja, das ist manchmal unangenehm.“2
Anziehung
„Tatsächlich [spielt der Geruch eines Menschen] eine wichtige Rolle, wenn es um Antipathie und Sympathie […] geht – und ob wir uns sexuell zu ihm hingezogen fühlen. […] Genetische Komponenten, aber auch die persönliche Bakterienflora der Haut, sorgen für die unverwechselbare Duftnote. Schon feinste Duftstoffe lösen an den Riechzellen der Nase elektrische Impulse aus, die verarbeitet und an das sogenannte Riechhirn […] weitergeleitet werden. Dieses steht in direkter Verbindung zum limbischen System, dem] Sitz der Emotionen […]. So kann ein Geruch – selbst wenn er sehr fein ist und eher unbewusst wahrgenommen wird – rasch ein Gefühl erzeugen. Dies ist der Grund, warum wir manche Leute einfach ,nicht riechen‘ können – und seien sie noch so freundlich.“ 3
Unbemerkt
Wirklich ist es ein Moment intimster Nähe, wenn, auch nur kurz, Ukes Kopf an Nages Schulter geführt wird – und Uke, um entspannt fallen zu können, sich nicht sträuben darf, sondern sich eher anschmiegen muss. Im Alltag kuscheln sich so nur Kinder bei den Eltern an und Liebespartner beieinander. Denn „besondere Du

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