Pater Jonathan Kloster Damme, AJ 70DE

Singen – Hören Kloster oder Herberge

Jonathan zeigt mir das Dojo im Kloster Damme
Jonathan zeigt mir das Dojo im Kloster Damme

„Ja, es wird schon ein wenig Trubel um mich gemacht, diese Woche kommt jemand vom NDR Radio, neulich war ein Radiointerview mit der Landeswelle Thüringen. Wenn ein Mönch Aikido macht oder verbindet, dann ist es etwas Besonderes, ich könnte aber auch Fahrrad fahren … „

Es gibt Religionen, die nicht nur das Geistige, das Religionsbezogene sehen – so ist dies zum Beispiel im Daoismus der Fall, eher als im Buddhismus. Im Daoismus, sieht man das Körperliche und das Geistige als eine Einheit [Kästchen Seite 21] .

„Nach meinem Weggang aus dem Kloster Münsterschwarzach, wo ich ja schon Aikido praktizierte, sind mir viele Parallelen auf gefallen. Verwandtschaft sehe ich in dem Benediktinischen Mönchsweg, in unserem Chorgebet und in der Gebetspraxis zu dem Übungsweg der Kampfkunst Aikido. Denn was kommt bei einem Menschen, der den Weg geht, „heraus “ – bedingt durch sein sich öffnen? – ein Zulassen der Kräfte, die durch ihn hindurch wollen. Keine angeeigneten, keine trainierten Kräfte, kein leistungsbedingtes Ergebnis… Dem Geist Raum geben können. So ist Aikido für mich als Kirchenmensch ein hervorragendes Medium. Das KI – es geschieht.

Gerade an diesem Wochenende habe ich hier mit Ministranten gearbeitet. Ich gebe in einer solchen Gruppe nur das mir Bekannte weiter – Die Kraft, die alles durchfließt. Sie müssen nichts tun, nur sich einfach bewegen, aber aufrecht bewegen – Dasein, mit einer aufrechten Haltung. Diese klare Haltung, an dieser Stelle. Da sind KI und Kampfkunst sehr eng miteinander verbunden.
Ich argumentierte dann: „Ihr habt hier, wie in jeder Messe in der ihr ministriert, eine kostenlose Übungsstunde für den aufrechten Gang“. Aufrecht sitzen, dass die Wirbelsäule frei ist, dass die Energie fließen kann – so könnt ihr euch frei bewegen. Wenn ihr daran denkt, „da fließt eine Kraft“, dann fließt sie – nicht aber die Kraft „verspritzen“, in alle Richtungen – sondern in das Zentrum führen.
Ein Miteinander – gemeinsam mit den anderen Ministranten die Bewegungen ausführen, auf einander zugehen, bei Drehungen nicht voneinander weg, sondern aufeinander zu bewegen, Rücksicht spüren und führen – das sind liturgische Formen, die in der Kraft wieder auftauchen. Also auch bei dem Aikido.
Die Ministranten sind nach wenigen Stunden fast militärisch einhergeschritten, sie haben sich gleichmäßig bewegt und niedergekniet – wenn ich dieses nur über die Liturgien der Religion versucht hätte zu vermitteln, dann wäre eine typisch abweisende Lernhaltung entstanden – wie dies so oft im Schulunterricht der Fall ist …
Deshalb empfinde ich Aikido im Vergleich mit anderen Kampfkünsten prädestiniert – eine ideale Schulungs- und Übungsmöglichkeit.“

Ja, ein Wettbewerb, wie in anderen Budoarten wäre da, zumindest in den Anfängen, wenig hilfreich.

„Du lernst mit der Kraft, die dich durchfließt, umzugehen, du musst sie nicht niederhalten – du darfst sie erfahren. Auch das du sie beherrschen lernst, damit nicht sie dich beherrscht.
Alles was die körperliche Präsenz schult, dient der Aufrichtigkeit des Menschen. Alles was ihn aufrichtet, dient seiner Aufrichtigkeit.

So kann ich auch Elemente aus dem Geistlichen im Aikido verwenden. Ich habe jetzt regelmäßig jeden Dienstag einen Schnupperkurs für Aikido – mittlerweile sind da zwischen zehn bis zwanzig Teilnehmer. Der Jüngste ist zehn und der Älteste 65 Jahre und sie nehmen regelmäßig an dem Training teil.“

Aikido hat hier seinen festen Platz gefunden – es ist kein Provisorium mehr. Es gibt ein kleines Dojo, „für den täglichen Bedarf“ – dies wird jetzt in einen größeren Raum verlegt. Aber es gibt auch ein großes Dojo für z. B. Lehrgänge. Der Hausmeister hat den Matten ein schöne Umrandung gezimmert, die Räume sind lichtdurchflutet – das hat auch etwas mit dem Respekt vor den Weg zu tun.

„Seit drei Jahren bin ich nun in Damme – Damme, was sicherlich für japanische Ohren grässlich klingt: ‚Dammme’, es ist wohl nicht zu unterbieten, für ‚japanisches Klangempfinden‘ – Jonathan verfällt in lautes Lachen – Aber wer weiß, vielleicht kommt es ja eines Tages soweit, dass man auch in Japan sagt: Damme? Ahhhh, hai Damme, hai neh! … dann haben wir unsere Position im Aikido.‘ Jonathan lacht wieder herzlich.
Mein Mentor, Edmund Kern, ist ja schon in Münsterschwarzach, ich meine es war 2001, an mich herangetreten, da war er natürlich auch verwundert, dass es in Kloster von Münsterschwarzach Aikido gab – er selbst war in den 50iger Jahren im Kloster Münsterschwarzach, ist dann aber vor dem ewigen Gelübde ausgetreten“.

Ja, ich erinnere mich dunkel, dass mich Edmund damals anrief, nach dem Interview [AJ N°21, Ausgabe1/2000].

„Wir waren uns sofort sympathisch und seitdem hat sich ein schönes Miteinander entwickelt – es ist aber auch genial für mich und die anderen Teilnehmer – so ein Wochenende oder Lehrgang, das hat schon was. Allein schon das Exakte, aber auch die Traditionslinie – es braucht einfach Wurzeln – den Bezug zu den Wurzeln, dadurch wird ernsthafter geübt – das ist ein weiterer Energieschub. Diese Tradition in Verbindung mit einem Orden, wie dem Benediktiner Orden, der seine 1500 Jahre alte Tradition hat, aber auch die Europäische Kultur mit geprägt hat, das sind zwei Entwicklungspotentiale.
Man soll das Aikido nicht missbrauchen, denn Aikido ist etwas Eigenständiges, was den klösterlichen Weg inspiriert – wie umgekehrt die christliche Spiritualität das Aikido bereichern kann.
Beides für sich genommen, als auch gemeinsam, ist eine gegenseitige Bereicherung – in meinen Augen. Man sollte es aber nicht vermischen. Dies zumindest versuche ich zu praktizieren. Jetzt bin ich auch noch dabei, die alten Mönchsväter – die Väter der christlichen Tradition in Europa, das waren die Wüstenväter in Ägypten, im 2., 3. und 4. Jahrhundert, als die Kirche unter Konstantin dem Großen Reichskirche wurde, zu erkunden. Sie, zumindest einige von ihnen, waren der Meinung, dass durch diese Ernennung zur Reichskirche der Glaubensweg ‚zu lasch‘ wird, so haben sich in die Wüste, ins Eremitendasein zurück gezogen.

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