Dirk Kropp, Köln 2009

Grenzüberschreitendes Aikido: ZEIT – RAUM – LEBEN ; ERLEBEN

Dirk Kropp in seinem Dojo 2009.
Dirk Kropp in seinem Dojo 2009.

Ich betrete ein schönes großes Dojo in Köln. In Gedanken überschlage ich sogleich, was hier wohl für ein Mietzins gefordert wird. Wir beginnen unser Gespräch aber mit dem Werdegang des Dojos.
So erfahre ich, dass Dirk Kropp 1976 bei Katsuaki Asai Sensei mit Aikido begann [in den Jahren unterrichtete Meister Asai donnerstags im Bushido in der Ehrenstraße, im Zentrum von Köln] – Dirk Kropp trainierte bis 1988 bei Asai. 1985 eröffnete er mit Hans-Jürgen Klages das Dojo, aber erst 1989 konnten sie dieses schöne, große Dojo in Köln-Bickkendorf, in der Silcherstraße, beziehen.

Durch Meister Asai lernte Dirk einen Schwertmeister Namens Dr. Kokichi Hatakeyama kennen, der von Asai zu einem Schwertlehrgang in Köln eingeladen worden war. Es war ein Aikido – Iaido – Lehrgang, der 1983 in Köln stattfand und an dem auch Sagawa [lebt in Tokio] teilnahm. Dirk erzählt, er habe12 Jahre intensiv bei Asai trainiert. Wohl durch dieses enge Verhältnis bekam er auch den „Auftrag“, Dr. Hatakeyama in Köln zu betreuen. Er wertet dieses in mehrfacher Hinsicht als ein besonderes Glück. Durch Hatakeyama bekam er einerseits einen tiefen Einblick in die Schwertkunst und gleichzeitig konnte er sich mit Hatakeyama, der Mediziner war, wunderbar austauschen, da dieser ein exzellentes Deutsch sprach –Dirk berichtet, dass die deutsche Sprache früher im japanischen Medizin- wie Jurastudium ein Muss war, da deutsche Fachliteratur in Japan vorherrschte. Dazu hatte Dr. Hatakeyama neben Medizin auch Deutsch studiert, und vor allem pflegte er sein Deutsch.
Weiter äußerte Dirk erfreut, dass durch dieses „Zusammentreffen“ quasi ein „Vater – Sohn-Verhältnis“ entstanden sei. So sei er von Hatakeyama nach Japan eingeladen worden und dies habe es ihm ermöglicht, mehrere längere Japanaufenthalte „finanziell zu überstehen“ – so reist er seit 25 Jahren regelmäßig nach Japan.
Doch am Wertvollsten empfand Dirk den „ungestörten Gedankenaustausch“ ohne die sprachlichen Barrieren. Denn Unterhaltungen „ohne Wörterbuch“ tragen nach seiner Ansicht nun mal zu einem tieferen Verständnis bei – zumal, wenn es sich um eine „so fremde Kultur“ wie die Japanische handelt.

Von Hatakeyamas Wohnort aus war es ihm möglich, zu Morgenklasse ins Hombu-Dojo zu fahren – die Morgenstunden wurden damals von Kisshomaru [er verstarb 1999] und später von Moriteru Ueshiba geleitet. Diese Trainingsstunden hätten ihn, wie er sagt, „besonders berührt“ – denn bis dahin hatte er keine Möglichkeit, den philosophischen Hintergrund dieser der Familie Ueshiba eigenen Übungsweise kennen zu lernen.

An manchen Wochenenden aber bekam er von Hatakeyama „Japan gezeigt“, oft verbunden mit Besuchen, bei damals noch lebenden „Schwertlegenden“ ..., denen er auch vorgestellt wurde. Dabei kamen ihm erneut die perfekten Deutschkenntnisse von Dr. Hatakeyama zugute und so konnte er ungehindert mehr über die persönlichkeitsbildenden Aspekte und den philosophischen Hintergrund der Schwerkunst erfahren. Leider sei Hatakeyama 1989 verstorben, und so ist für ihn diese lebendige Wissensquelle leider versiegt.

Seine Japanaufenthalte beschränken sich heute auf wöchentliche Besuche des Hombu-Dojos in Tokio – denn sein Dojo in der Silcherstraße braucht ihn.
So spricht er von „Anbindung“ an das Hombu-Dojo und den Aikikai. Wie diese Anbindung aussieht, wird mir aber trotz mehrfachen Nachfragens nicht klar, außer der Tatsache, dass sein Dojo, besser er, eine Mitgliedschaft im BDAL innehat. [BDAL entstand aus dem 1987 als Interessengemeinschaft gegründeten BDAS – durch Schüler, wie Dirk, die sich von Asai Sensei abwandten.] Prüfungen und Meldungen der Prüfungen an den Aikikai seien ihm jedoch nicht wichtig doziert Dirk – und bei dieser Gelegenheit bekomme ich sein im März erschienenes Buch geschenkt. In seinem Buch würde erklärt, warum Prüfungen eigentlich hinderlich seien, Aikido zu erlernen und zu verstehen. Die Menschen möchten aus seiner Sicht Aikido lernen und sich aber neben dem allgemeinen täglichen Stress nicht auch noch einem Übungs- und Prüfungsstress unterziehen. In seinen Augen sei es auch eine unvereinbare Praxis für Berufstätige, vielleicht auch noch mit Familienanschluss, „so nebenbei“ Aikidolehrer sein zu wollen – denn daran krankten Dojos und das Aikido. Der Mensch möchte sich entwickeln, bewegen und etwas lernen, nicht aber sich einem System unterworfen fühlen. Er habe vor zwei Jahren die letzten Prüfungen abgenommen – aber nur, weil es Schüler waren, die schon sehr lange, eben über zwanzig Jahre, bei ihm Aikido üben. Das Prüfungssystem sei überholt, außerdem sei es für Kinder, vom Begründer des Judo eingeführt worden [Anm. Jigoro Kano 1860 – 1938.] – Dirk erklärt, dass 1880 Kano dieses vom deutschen Schulsystem übernommen und abgeleitet habe. [Anm.: Ein solches System besteht seit Jahrhunderten durch das ca. 730 nach Japan eingeführte Spiel Go – hier gab es zumindest schon immer Dangrade.]
Graduierungen hält er nur bei denen, die später einmal lehren möchten, für angebracht oder gar wichtig. Für den gemeinhin Übenden empfindet er sie aber als störend, denn wer z. B. beruflich bedingt nicht zur Prüfung kommen oder gar nicht regelmäßig üben könne, der fühle sich schnell „untergraduiert“ – und schon seien sozialen Probleme geboren.

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