Gespräch mit Günther Steger aus Semriach in Österreich.

Günther ist einer der technischen Leiter des Österreichischen Aikido- verbandes


Güther Steger.

Günther, wenn ich das richtig verstanden ha-be, hattest Du 2 Jubiläen zu feiern, Dein 40igstes Lebensjahr und 20 Jahre Aikido?«

»Ja, das ist richtig. Nachdem ich kurz darüber nachgedacht hatte, habe ich be-schlossen, sehr froh zu sein. Für viele Aikidokas (besonders in Frankreich) sind 20 Jahre nicht sehr viel, aber für die Österreicher ist das fast die ganze Aikidogeschichte.

Am 17.09.1958 wurde ich auf einem ab-gelegenen Bauernhof in Kärnten (Österreich) geboren. Von dort sind aber meine Eltern bald in ein grösseres Dorf gezogen und in der Zwi-schenzeit auch für eineinhalb Jahre (68-69) nach Tirol ausgewandert. In dieser Zeit habe ich meine Jugend mit allerlei vernünftigen und un-vernünftigen Dingen verbracht und auch die Schulen (Volksschule, Unterstufe, Oberstufe) bis zur Matura erfolgreich absolviert.

Dann begann das richtige Leben und auch mein Leben mit Aikido. Ich kam nach Graz, um hier auf der Universität die Betriebswirt-schaftslehre (BWL) zu studieren, selbst zu ko-chen, zu waschen und die Abende möglichst ausgiebig in gesellschaftlichem Umfeld zu ver-bringen und mich auf Matten zu bewegen.

Ja, und im Jahre 1978 wurde erstmals Aikido im Rahmen des Sportunterrichtes in Graz an-geboten. Der Instruktor hiess Junichi Yoshida, kam direkt aus Japan und hatte damals den 2. Dan Aikikai.«


»Hast Du eine Idee, warum Aikido erst so spät nach Österreich gekommen ist?«

»Österreich ist relativ klein und die Voraus-setzungen, eine Kampfkunst (nicht Sport) aus-zuüben, sind nicht besonders gut, so dass sich ein professioneller Trainer sein Brot sehr schwer verdienen muss. Über die Universität konnte ei-ne Verbreitung ohne grossen Werbeaufwand erfolgen. Aber um dies durchzuführen, musste sich erst ein Aikidolehrer entscheiden, mitzu-machen. Vielleicht gibt es noch einen anderen Grund: den, dass die Österreicher einfach ein wenig gemütlicher und bequemer sind.«


»Was war das für ein Stil, den Junichi Yoshida unterrichtete? Oder wie würdest Du ihn heute einreihen?«

»Der Unterricht war zwar etwas “steifer” als jetzt, aber gleichzeitig hat unser Trainier Junichi Yoshida uns im Gegensatz zu vielen anderen japanischen Meistern sehr viel erklärt. Es wurde Wert darauf gelegt, dass die Bewegungen flüs-sig bleiben und doch immer die notwendige Spannung vorhanden ist. Allerdings habe ich den Begriff Spannung nicht verstanden und ihn eher als Härte empfunden. Das kam auch sicher daher, dass wir bereits mit dem 3. Kyu selbst Trainingsstunden leiteten. Der Stil war im gros-sen und ganzen am Beginn vom Hombu Dojo mit vielen Schrittübungen und hauptsächlich Grundtechniken geprägt. Die Orientierung an Tamura Sensei erfolgte aber sehr rasch.«


»Weisst Du, warum Junichi Yoshida sich vor al-lem an Tamura Sensei orientierte?«

»Junichi Yoshida hatte in Japan auch bei Endo Sensei trainiert. So weit ich weiss, rühren seine Kontakte noch von Japan her. Junich kommt aus einem sehr traditionellen Elternhaus und hat vielleicht daher Referenzen erhalten.

Eines ist sicher. Er hielt damals bereits Ta-mura Sensei als den besten Aikidotrainer. Nach-dem er sich die Möglichkeit geschaffen hatte (unter Umgehung japanischer Formalitäten) sich an Tamura anzuhängen, hatte er dies ebenfalls für den Verband durchgeführt.«


»Weisst Du, warum Junichi Yoshida keinen Kontakt zu Iwamoto Sensei, der ja schon in Österreich weilte, bekam? Ich meine – da steht doch schon ein Auto vor der Tür, warum also noch einen importieren?«
»Da sich Junichi in technischer Sicht un-bedingt an Tamura Sensei halten wollte, war die Gesprächsbasis nicht vorhanden. Junichi hatte die japanischen Hierarchien nicht berücksichtigt und unter Umgehung von Iwamoto Sensei ein eigene »Aikidoschule« in Österreich geschaffen, für die Trainierenden die beste Variante. Für ihn äusserst nervenaufreibend, da es gegen ihn immer wieder Interventionen im Hombu Dojo gab.«


»Aber von der Stilrichtung her ist es Aikikai, sprich Hombu Dojo?«

»Ja, das ist Aikikai und es war auch von Vorteil, da die Trainer der umliegenden Länder wie Deutschland, Italien, Frankreich und Schweiz bei uns Wochenendkurse gehalten haben.«


»Du sagtest, dass Junichi Yoshida mehr erklärte als andere, ist es kein Nachteil, wenn man im Aikido zuviel Kopf benützt?«

»Mehr erklärte, als es in Japan üblich war. Er war sehr streng erzogen worden und hat sich in Österreich erst auf unsere Gewohnheiten und Eigenheiten einzustellen versucht. Für uns waren die Erklärungen so ausführlich wie An-merkungen in Büchern.«


»Hast Du noch Kontakt zu Junichi Yoshida?«
»Junichi Yoshida heiratete ein Mädchen aus Kärnten. Im Sommer kommt er meist hierher. Zur gleichen Zeit halten wir ein kleines Training ab. Wenn er Zeit hat, kommt er und macht manchmal auch mit.«


»Ihr seid dann bei Tamura Sensei geblieben. Habt Ihr auch andere Shihans »ausprobiert«?«

»Wie ich es bereits angedeutet hatte, haben wir mehrere Shihans und Meister eingeladen und sind auch oft zu Lehrgängen gefahren. Darunter waren Asai Sensei, Endo Sensei, Hosokawa Sensei, Ikeda Sensei, Osawa Sensei sen., Yamada Sensei...«


»Einen Verband habt ihr auch gegründet?«

»Der Österreichische Aikidoverband wurde 1980 gegründet und hat mittlerweile 14 Mit-gliedsvereine. Der Verband ist selbst Mitglied der EAF und wir haben um die offizielle An-erkennung im Hombu Dojo ersucht.«

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