Wolfgang Sambrowski-Gille aus Oldenbuer

Zen- und Aikidolehrer


Wolfgang Sambrowski-Gile im Gespräch 7. April 2015

Bremen, eine Stadt im Norden. Dort habe ich viele schöne Erinnerungen an den früheren Besitz einer Teefirma und etwas Schwermut, da sie vor nun mehr als 30 Jahren den Besitzer gewechselt hatte. Genau dorthin führte die Reise, als das 50-jährige Jubiläum des Aikido in Deutschland von Meister Asai bereits in der Vergangenheit lag.
Als Wegbegleiter auf der Fahrt dienten vielerlei Hörbücher, aber auch die Musik durfte nicht fehlen. Gibt man sich ihr hin, bietet sich allerhand Gelegenheit für neue Denkanstöße. Die gegenwärtigen Gedanken bekommen neue Farben und setzen so ihre gesamte Gestalt in eine neue Szene. Genau betrachtet begleitet sie jeden Menschen seit Beginn seiner Zeit, denn bereits in utero empfängt das werdende Kind Wellen von Vater und Mutter, die eine lange Zeit an seiner Seite bleiben werden. So manches Schlaflied hat darüber hinaus auch unlösbare Blockaden niedergestreckt. … und die Fähigkeiten mehren sich ja oft mit dem Alter …


Da Oldenburg nicht allzu weit entfernt ist von Bremen, habe ich nach den Ostertagen einen Termin mit Wolfgang Sambrowsky-Gille vereinbart.
Am späten Nachmittag traf ich in Oldenburg an der mir genannten Dojo-Adresse in der Lindenstraße 11 ein. Mein unsachgemäßes Parken in der Lindenstraße rief eine ältere Dame auf den Plan, die mich wegen meines Verstoßes  (ich hatte das Parkverbotsschild wirklich nicht gesehen) vor der potentiellen Polizeiarbeit warnte. Als mich die Dame nach meinem Begehren in der Lindenstraße fragte, kam nach meiner Erklärung von ihr: „Aber das ist doch hier im Hof, fahren sie dort hinein …“ Ich hatte trotz Brille das Parkverbotsschild wie auch die Einfahrt nicht erkannt. Zu meiner Entschuldigung muss ich anführen, dass sich das Dojo mit seiner Einfahrt eher unscheinbar in der Lindenstraße ausnimmt – es liegt zurückgesetzt hinter der Häuserflucht und das Werbeschild kommt auch nicht plakativ zur Geltung. Wie mir später klar wird, ist es nicht nur ein „unscheinbares“, sondern auch ein „andersartiges“ Dojo. Auf dem kleinen Parkplatz vor dem Dojo werde ich kurz darauf von Wolfgang abgeholt und in die Räume des Dojo geführt, wo mich nun auch  seine Frau Maria begrüßt.

[…]
Wir hatten eine Stunde für unser Gespräch eingeplant, so ist Wolfgangs Antwort auf meine erste Frage, ob er ein gebürtiger Oldenburger sei: »Nein« – er sei durch sein Studium der Sozialwissenschaften nach Oldenburg gekommen.
Mit Aikido kam er durch sein Studium in Kontakt – im Wintersemester 1974 lief an der Universität ein Projekt über Körpererfahrung und Sinneswahrnehmung, was von Rudolf zur Lippe geleitet wurde. Auf Anraten von Graf Dürkheim hat zur Lippe Gerd [Gerhard] Walter gerufen. Gerhard zeigte zwei Wochen sein Aikido. Seitdem ist Wolfgang Aikidoka und mit Gerhard in Kontakt. Graf Dürckheim hatte früh Kontakt mit Noro. Gerhard Walter wurde von Noro zu Dürckheim geschickt [zu den näheren Hintergründen werde ich demnächst ein Gespräch mit Gerhard Walter führen] – so landete Gerhard in Oldenburg … 
Das Körpererfahrungs-Projekt lief für meine Begriffe ungewöhnlich lange, eben über neun Semester. Schnell wurde Wolfgang vom »Aikidofieber« gepackt und reiste auch des Öfteren nach Berlin, denn Gerhard hatte schon früh das erste private [zeitgleich mit Meister Asai] eigene Aikido-Dojo in der Stromstraße in Berlin [das erste Aikido-Dojo Deutschlands hatte Gerhard mit  Joachim Penop in Hamburg].

Es war unweigerlich, dass Wolfgang Meister Asai dort kennen lernte und im Aikido-Reiserausch auch Tada und Noro Sensei. Aber auch Aikidoka wie Klaus Gregor und Rüdiger Keller, die damals noch in Berlin lebten. So nutzte Wolfgang auch alle Möglichkeiten, um zu Gerhard, Asai, Tada oder Noro zu fahren. Es wurde keine Gelegenheit ausgelassen, so betont Wolfgang …

Aber auch Wolfgang war aktiv und begann in jungen Aikidojahren zunächst an der Uni Oldenburg Aikido zu unterrichten. Dann, durch den Kontakt zu Rudolf zur Lippe, der außerhalb Oldenburgs bei einer Frau von Witzleben auf einem Gut bei Hude wohnte, in dem es einen Tanzsaal von einer Klosterschänke gab, auch dort. Denn sie durften dort hinein eine Matte legen – so konnte er seine Aikidogruppe ausbauen und an drei Tagen im Tanzsaal und an den restlichen Tagen der Woche an der Uni ein Training anbieten.
  Aber schon während seines Studiums erkannte Wolfgang, dass das »Studium um und für den Menschen« für seine Vorstellung nicht beinhaltete, was sozial sein sollte. Ja es ging für ihn geradezu am Menschen vorbei, denn von Semester zu Semester kümmerten sie sich um Statistiken. So lag die Entscheidung, nach dem Studium weiterhin Aikido »zu machen«, auf der Hand …
Aus dem »Aikido-Verein« würde ab 1980 eine Aikido-Schule in der zu Beginn beschriebenen Lindenstraße. Es war wohl ein Zufall, dass die Räumlichkeiten frei waren, denn sie beherbergten zuvor eine Schreinerei – so musste aus der Aikido-Truppe niemand mehr nach Hude oder an die Uni fahren. Verbandsmäßig war er im Aikikai Deutschland organisiert, was sich aber nach der Trennung von Meister Asai1987/88 in den BDAS [Bund deutscher Aikido Schulen] wandelte.
Da Rüdiger Keller nach Bremen zog, wurde aus der frühen Berliner Bekanntschaft eine intensivere Zusammenarbeit. Sofort organisierten sie gemeinsame Kurse, hauptsächlich in Bremen, was eben verkehrsgünstiger  angebunden ist als Oldenburg.

Wolfgang ist ein professioneller Zen- und Aikidolehrer, der um fünf Uhr morgens Zazen anbietet, was er mit einer Aikidostunde von acht bis neun Uhr ausklingen lässt. An den meisten Tagen beginnt das Abend-Training um 18 Uhr. So können Wolfgang und Maria auch ihre Kinder in diesen Lebenszyklus integrieren – egal ob das zur Kindergarten- Schul- oder zur Mittagzeit  ist …
Die Kinder sind nicht so leidenschaftlich im Aikido involviert, obwohl Wolfgang mit seinem jüngeren Sohn einige Jahre eine Mischung aus Aikido, Ju-Jjutsu und Karate machte – was aber jetzt, seit er in Flensburg studiert, naturgemäß verebbt ist.
In jungen Jahren tummelten die Kinder sich natürlich, wie alle Kinder, auf der Matte. Dadurch, dass Maria als Lehrerin tätig war, konnte Wolfgang Haus- und Erziehungsmann sein. So hat er die Kinder nicht nur vom Kindergarten abgeholt, er stellte seine „hausmännlichen“ Fähigkeiten auch in der Küche unter Beweis … Maria und Wolfgang ist es auch wichtig, dass sie in einem Stadtteil leben, der sehr viel für das Auge bietet – ähnlich wie hier um das Dojo herum – nicht unmittelbar nur Hauswände  und Beton, sondern ein Blick auf Bäume und Pflanzen. Sie sehen darin Parallelen zu dem Weg des Aiki – der nicht nur zweimal in der Woche, sondern täglich gelebt und geübt werden muss, in Verbindung stehen mit anderen Menschen. 

[…]
Wolfgang erklärt mir, dass die meditativen Momente des Aikidos und das sich auf den Partner einlassen wichtiger sind als eine Technik, dass es aber ohne die Technik kein Aikido gibt. Trotzdem muss und sollte der Mensch im Mittelpunkt, eben vor der Aikido-Technik stehen. Insofern, so nehme ich an, hat sich der Einfluss des Studiums der Sozialwissenschaften »in Wolfgang« etabliert. Es kommt auf die Kommunikation und das Miteinander an. Auch übt er ganz normal mit Ken, Jo und Tanto, weil dies die Elemente waren, die Morihei Ueshiba als Grundlage zu der Entwicklung seines Aikidos dienten. So ist es für Wolfgang eine Selbstverständlichkeit die Waffen in das Training einfließen zu lassen,

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