Dominique PIERRE - Päsident der FEI

Wir machten ein scharfes Karate, scharf wie ein Schwert.


Dominique, während unseres Gespräches in Dombasle-sur-Meurthe

Ich werde gleich mit der obligatorischen Frage beginnen: Warum haben Sie mit Aikido angefangen?

Ich habe mit den Kampfkünsten in den 75er Jahren angefangen, genauer gesagt mit Karate. Damals gab es wenige Karatedojo in der Umgebung. Karate war gar nicht bekannt und ich hatte Glück einen Lehrer zu finden, der ganz anders war als das, was man in den damaligen Filmen sehen konnte. Er war aus dem Westen und hieß Paul Brucker, ein kleiner Mann, kleiner als ich, aber er hatte einen großen Willen und einen starken Geist. Er machte Karate sehr hart und verlangte viel. Er war der erste Assistent von Murakami Sensei.

Damals machte Murakami Sensei Shotokan Karate, er war zu Shotokai gewechselt. Ich glaube, er war einer von den ersten japanischen Experten, die von Henri Plée eingeladen waren, damit Frankreich das Karate entdecken konnte. Paul Brucker, der damals auch Judolehrer war, traf ihn und fuhr jede Woche zu Murakami’s Kursen nach Paris. Wenn er nach Nancy zurückkam, zeigte er uns das, was er gerade in dem Kurs gelernt hatte. Später lernten auch wir Murakami kennen – wir haben unter ihm, in seiner Gruppe, für mehrere Jahre gearbeitet. So habe ich mit Kampfkünsten angefangen.


Wann war das?

Es war wahrscheinlich zwischen 1973 und 1979. So zirka ab 1981 hatten wir mit dieser Gruppe keinen Kontakt mehr. Es waren politische und keine technischen Gründe. Wir machten ein scharfes Karate, scharf wie ein Schwert. Wenn man das benutzt, heißt es, haben wir alle Grenzen erreicht, denn das war gefährlich. Die Ethik unseres Meisters war dagegen, wir sollten unsere Arbeit mehr kontrollieren. Alles war schwer und hart, aber es gab keine Alternative. Das war wie eine Schusswaffe. Wenn man sie einen Tages benutzt und schießt, dann kann man die Folgen nicht mehr kontrollieren.

Zu der Zeit gab es im gleichen Dojo einen Aikidokurs. Nach unserem Karatekurs bin ich oft geblieben um Aikido zu sehen. Ich sah da eine andere japanische Kampfkunst – eine Art von Gegnerkontrolle ohne ihn zu zerstören. Das war das Bild, das ich davon empfangen habe. Da rollten sie und blieben auf der Matte, von den Verteidiger kontrolliert, liegen. Das schien wirksam zu sein, denn alle waren kontrolliert und blieben ohne Verletzungen. Das war vor allem eine Antwort und keine Replik Gewalt für weitere Gewalt. Das hat mich interessiert und ich habe mich zum Aikidokurs angemeldet. So habe ich also mit Aikido angefangen. Ich war 20 Jahre alt. Da hatte ich schon 3 Jahre Erfahrung im Karate. Ich habe mit Karate nicht aufgehört und ich mache es noch immer.
Michel Coqueron, der Aikidolehrer, war Präsident der Region, er war 2er Dan , damals war dies das Höchste. Michel Coqueron war Arzt, ein ehemaliger Judoka, der aber zu Aikido „konvertiert“ war, wie die meisten seiner Epoche, die ein bisschen Jujitsu gemacht haben und dann Aikido entdeckten.

Das Aikido war weniger aggressiv, es gab das Fallen und Rollen, das war ein Vorteil, denn so wusste man zu fallen. Auch stellte sich schnell ein guter Gleichgewichtssinn ein. Dies vereinbarte sich gut mit dem bisherigen Training. Ein zweiter Grund, warum ich mit Aikido angefangen habe, war, dass man, um unterrichten zu können, ein staatliches Diplom erlangen musste (brevet d’état d’art martiaux), welches in Frankreich eingeführt wurde. Man muss den 1. Dan in einer Kampfkunst sein und daneben zwei andere Kampkünste machen. Für mich waren es Judo und Aikido, zwar auf einem niedrigen Niveau, aber es erfüllte seinen Zweck für die Prüfung.
Um die Prüfung für den Karateunterricht vorzubereiten, sollte ich auch den blauen Gürtel im Judo und Aikido haben. Also nahm ich an vielen Lehrgängen teil … dadurch lernte ich viele Personen kennen. So auch René Trognon, der im selben Verein unterrichtete – mir viel auf, dass dort viele Leute am Kurs teilnahmen.

So wurde er mein Lehrer für lange Zeit. Er war ein sehr guter Pädagoge. Um Karatelehrer zu werden und um meine staatliche Prüfung vorzubereiten, musste ich eine „ecole des cadres“ besuchen – diese bietet intensivere Unterrichtsformen an. Leider gab es zu wenig Interessenten, so ist die Ausbildung ausgefallen. Trotzdem meldete ich mich für die Prüfung an. Gleichzeitig wurde im Aikido auch eine „ecole des cadres“ gegründet, die von René Trognon geleitet wurde, die ich ebenfalls besuchte. Dank dem, was ich in Pädagogik, in den Geisteswissenschaften und der Alchimie des Unterrichtens lernen konnte,  habe ich die Prüfung für Karate gut bestanden. Das ist schon etwas merkwürdig, in einem Bereich zu praktizieren und zu lernen, um dann in einen anderen Bereich zu wechseln. Aber es gibt Gemeinsamkeiten. So habe ich mit meiner Karriere weitergemacht, unter dem Motto: jede Disziplin hat ihre Besonderheiten, was mir weitere Erfahrung beim Unterrichten und Praktizieren bringt, auch die Kultur wird bereichert, nur bemerkt man das als junger Mensch erst später.
Ich war bei René Trognon bis 1986/88 und im Jahre 1982 habe ich in Dombasle meinen eigenen Karateclub eröffnet.

Es gab auch eine kleine Aikidogruppe, davon partizipierte ich. Aber leider nach einiger Zeit hat sich die Gruppe ausgelöst und der Aikidolehrer hat uns verlassen. In den 90er Jahren habe ich also selbst eine neue Aikidogruppe innerhalb meines Karateclubs gegründet. Später habe ich Malcom Tiki Shewan getroffen, dank den Lehrgängen, die von René Trognon organisiert wurden. Er war 30 Jahre, also vier Jahre älter als ich. Der erste Kontakt war interessant. Man stellte ihn als Schwertkämpfer vor und ich habe mich für das japanische Schwert interessiert. Das Aikido, das er vorstellte, hat das gleiche Bild, was mein Karatelehrer zeigte. Das war für mich wie in einer bekannten Umgebung: Strenge, Präzision, Irimi- Gefühl. Mit Tiki Shewan war das wie mit meinem Karatelehrer, nur es war im Schwert und im Aikido.


Wer hatte noch Einfluss auf Ihr Aikido?

Tamura Sensei, natürlich, wir waren nämlich im Einflussbereich von Tamura und damals gab es nur einen einzigen Verband, der im Judoverband eingebunden war.
Ich habe damals nur Tamura gekannt, dazu kam, dass ich nur wenige Transportmöglichkeiten hatte; das ist nicht wie heute, wo man mit dem TGV innerhalb von 90 min. Paris erreichen kann. Wenn man sich damals ein Auto leisten konnte, dann saß man gute vier Stunden auf der Achse, um Paris zu erreichen. Also das war schwer.
 
Ich habe Arikawa Sensei auch später kennen gelernt und Chiba Sensei auch. Zurzeit Yamada Sensei.

Im Jahre 1989 war ich im Verband (cadre technique de la Federation) für den Unterricht verantwortlich. Das war eine interessante Sache für mich, so konnte ich andere Leute treffen, die sich auch damit auseinander setzten – da habe ich viel gelernt.

Der Kontakt mit Arikawa dauerte vier Jahre, in denen er Lehrgänge in Frankreich animierte. Wir machten bei ihm eine so genannte alte Aikidomethode, das heißt, es wurden Grundlagen unterrichtet, die vom Prinzip ganz unterschiedlich sind, als das, was  man „sportliches Aikido“ nennt. Er verlangte von uns sehr viel. Das war ein nicht sehr bekanntes und dazu hartes Aikido. Alle von ihm gezeigten Techniken waren scharf wie ein Schwert. Es gab kein Platz für demonstratives Aikido, kein großes Fallen und Rollen. Er brachte uns, das war das Besondere, auch seine Erkenntnisse in den Kampfkünsten bei. Er war in den Jahren 1990 bis 1994 bei uns – leider verstarb er kurz nachdem er nicht mehr zu uns kam.

Damals waren unsere zwei Verbände [FFAB und FFAAA] im Konflikt, das konnte man während Graduierungsprüfungen beobachten [anm. d. red.: es hat sich seitdem aber nichts geändert …]. Malcom Tiki Shewan war dafür zuständig, innerhalb eines Gremiums der Außenbeziehungen unseres Verbandes, Möglichkeiten zu finden, in den beide Verbände zusammen arbeiten könnten. Während drei Jahren haben wir gemeinsame Lehrgänge mit dem anderen Verband organisiert um gemeinsame Graduierungsprüfungen zu haben. Die erste Schwierigkeit war eine gemeinsame Nomenklatur zu erfinden. Wir diskutieren unter anderen über Technikbenennungen der Bewegungen. Wir erfanden keine neue Bewegungen, sondern wir haben die Namen des anderen Verbandes, zu den Bewegungen hinzu gefügt, sodass beiden Seiten sie erkennen konnten.



Kisshomaru hat das schon gemacht.

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