Zweite Gespräch mit Frank Ostoff aus Düsseldorf. AJ N° 51D

Genau, das ist höchst Interessant, in den chinesischen Kampfkünsten, und da gibt es viel Material drüber, heißt es immer von »leicht zu schwer« und nicht umgekehrt wie bei uns, wo der Anfänger immer erklärt bekommt: »Tiefstehen, schwer machen«.

Frank Ostoff liest das Aikidojournal in der Druckerei in Wiesbaden.
Frank Ostoff liest das Aikidojournal in der Druckerei in Wiesbaden.

Ich habe kürzlich nach über 20 Jahren meinen damaligen Geschäftspartner wieder getroffen. Die tatsächlichen Gründe des Endes unserer Zusammenarbeit hat er offenbar aus seinem Gedächtnis gestrichen und andere Gründe an die Stelle gesetzt. Das kann man auch Verdrängen nennen.
In meinen Augen ein typisches Beispiel menschlicher Rechtfertigung, die einen in seiner Scheinsicherheit wiegt. Denn ich glaube, dass wir uns nicht verändern, wenn nicht ein sehr schwerwiegender Grund uns dazu zwingt.

Ja, Veränderung ist ein heftiger Prozess. Seit einiger Zeit biete ich auch Schamanistisches Heilen, Heilen auf energetischer Ebene an. Da geht es schlussendlich darum, so genannte »Imprints«, Abdrücke aus unserem jetzigen oder vorherigen Leben – bis hin zu sieben Generationen der Vergangenheit – die wir in uns tragen, los zu werden, zu lösen. Dieses Lösen geschieht tatsächlich, sie werden aus der DNA, aus unser Zellerinnerung gelöscht. Meistens aber ist die erste Reaktion der betroffenen, »Ja, aber was kommt denn dann, da ist ja dann nichts mehr?«

Man hat sich natürlich über die Jahre daran gewöhnt, damit »herum zu laufen«. In diesen Prozessen, dem »Clearing«, ist im ersten Moment eine Leere da. Diese muss erst bewusst werden, denn dann kann man sich darüber freuen und sagen – »Wunderbar, da ist jetzt wirklich nichts mehr.«.

Dieses typische Resonanzverfahren, das man hat, wenn man jemanden wiedersieht, und sofort innerlich der Streit von vor langer Zeit wieder hochkommt, das ist nach einem solchen »Clearing« weg.

Dieses Verändern, das ist genau das, was man in unserer Aikidogeschichte immer sucht und sucht, »die Veränderung«. Aber wo ist da eine Veränderung – da ist ein unfreies aufgezwungenes System. Ein System, das dir erlaubt, dich in diesem Muster zu bewegen, dir etwas bietet, an dem du dich festhalten kannst. Dann gehörst du zur Familie.

Wenn man die alten Filme von O Sensei schaut – er ist sehr frei gewesen und ging auch sehr großzügig damit um – es ist so wie es jetzt ist. Wenn du seine Schüler siehst, die hüpfen und springen dort herum, da gibt es kein in Frage stellen, das ist lebendig. Dann tauchen jetzt auf einmal Konzepte auf wie »Üben, üben, damit wir überhaupt etwas verstehen« und »wir müssen durch das Leid gehen, bevor wir in die Freude gehen dürfen«… – in welchen Kulturen hat es ein solches Gedankengut wie die Verherrlichung von Leid und Schmerz gegeben? In der Natur gibt es das auch nicht, da gibt es Überfluss, Fülle und Wachstum. Das sind die Prinzipien.


Und der Untergang.

Ja, die Umwandlung, das Sterben und das Neubeginnen. Ist jemand krank im Dschungel, dann kommt der Jaguar, und schwupp ist er weg, das wird gleich aufgelöst.

Der Anspruch im Aikido – Aikido ist »der Weg Natur«, »natürliche Bewegung«. Für mich ist Aikido als Methode immer noch großartig, was die Kommunikation, die Eröffnung von neuen Räumen angeht – phantastisch. Aber wie es in seiner Form verwaltet wird, wie es bewusst reduziert gehalten wird – reduziert, weil kein Wissenstransfer fließt. Diejenigen, die behaupten, sie seien die Quellen, die haben schon kein Wissen mehr, sondern setzen sich hin und halten letztendlich nur noch ihren Machtapparat aufrecht. Entwicklungen, wie man sie leider zuhauf sehen kann, voll alkoholisiert durch die Welt zu hetzen und zu predigen, dass in der Zukunft etwas passieren wird… So soll meine Zukunft jedenfalls nicht aussehen. Das ist für mich der Punkt, wo ich mich zurückziehe, das unterstütze ich nicht.

Das werde ich verändern, auch das Graduierungssystem, das ist doch fein taktisch von Japan aus gesteuert – lächerlich. Hunderttausende von Leuten werden da in der Hoffung gehalten, dass sie nur lange genug dabei bleiben müssen, um dann ihren nächsten Dan zu bekommen. Früher war der sechste Dan noch anerkannt, dann kamen viele sechste Dane nach, und inzwischen gibt es sogar schon einen zehnten. Die Japaner ändern schnell die Regeln, nur damit sie die Kontrolle behalten.

Ich habe da lange mitgemacht, und hatte immer die Hoffnung, dass es irgendwie wirklich wachsen könnte, aber das tut es absolut nicht.


Es passt doch gut in all unsere Systeme, es ist ein Wirtschaftssystem.

Ja, das hat mir schon einmal jemand in Japan gesagt. Er sagte mir damals, »Was erwartest du, Frank, Aikido ist ein Spiegel unserer Gesellschaft« – »da gibt es die Guten, die Schlauen … warum soll man da etwas ändern, man geht in ein gewohntes Umfeld, in dem man sich auskennt«. Was, sagte ich, das soll Aikido sein, das ist absolut nicht meine Vision. Ich will, im übertragenen Sinn, in einen Raum, einen Ort gehen, wo ich erwache, wo ich in den Veränderungsprozess hineingehen kann.

© Copyright 1995-2024, Association Aïkido Journal Aïki-Dojo, Association loi 1901