Zenon Kokowski im Gespräch mit Henry Liberman und Horst Schwickerath.

Graduierung oder der Unbil der Graduierung.


Zenon Kokowski während unseres Gespräches.

Zum 25-jährigem Jubiläum der FSA fuhr ich im Mai nach Zürich – N. Tamaura war zu einer Lehrgangsleitung eingeladen und auch Didier Vernard aus Lausanne unterrichtete einige Einheiten. In der Mittagspause „lief mir u. a. Zenon Kokowski über den Weg“. Wir hatten ein kleines Gespräch, in dem er mir von einem, für ihn unverständlichen Unbill über den Erhalt seines 5. Dan erzählte … Im Laufe dieses Gespräches glaubte ich einen, für meine Begriffe interessanten „Graduierungs-Aspekt“ zu erkennen und bat Zenon dieses Gespräch mit etwas mehr Ruhe, fernab vom „Mattenrand“ fortsetzen zu können. So trafen wir uns, Henry Liberman und ich, zwei Monate später mit Zenon Kokowski in Frankfurt.

Zenon Kokowski unterrichtet seit vielen Jahren in Frankfurt-Höchst im Shingitai Dojo. Vor acht Jahren, 2001 führten wir bereits ein Gespräch mit Zenon [Anm.: AJ N°27D & 28D] – damals berichtete er stolz 45 Schüler zu haben; heute erscheint er weniger stolz über die Tatsache zu sein, mehr als 100 Schüler zu haben. Oder täusche ich mich, klingt da doch etwas Stolz heraus? Er hebt die Stimme, um einen Sarkasmus anklingen zu lassen, als er sagt, „Ich habe den 5. Dan erhalten“. Doch darauf möchte ich später eingehen und erfahre von Zenon, dass er noch intensiver Tamura Sensei folgen würde. Intensiver ist es geworden, weil das Kihon-waza eine andere Bedeutung erfuhr – „Tamura gibt mir ein paar Tips oder er stellt mir Aufgaben und ich muss den Weg finden“, sagt er, es ist das einfache Aikido, das Kokyu-ho welches mehr Betonung hat und das innere Aikido bekommt seine Bedeutung“.
Ich werde hellhörig und unterbreche seinen Redefluss, da ich erfahren möchte, was er unter „innerer Arbeit“ versteht? „Ohh, das geht sehr nach innen“ - es betrifft den Egoismus. Mit unserem Egoismus gehen wir wie blind vor – wir zerstören auch die Welt, ohne Bedenken zu haben. So habe auch ich immer genommen – bis zum 4. Dan habe ich nur genommen. Für mich war es wichtig schneller und besser zu werden. Neues musste schnellstmöglich aufgesaugt, verinnerlicht werden. Ich habe Jahre mit mir selbst gezetert – auch sollte, wollte ich den 5. Dan schnellstmöglich erreichen. Geduld war ein Fremdwort für mich. Den Verband wollte ich aber nicht wechseln um schneller graduiert zu werden – ein Problem, mein Problem löst sich nicht durch einen Verbandswechsel, das Problem würde bei mir bleiben. Wir wissen, dass wir vier Jahreszeiten haben, trotzdem aber suchen wir, oder versuchen wir immer neue Systeme zu erfinden, und übersehen bzw. ignorieren die vier Jahreszeiten. Ich kann deine Frage nach dem inneren Aikido nicht hundertprozentig beantworten – ich suche noch immer. Eigentlich dachte ich, ich könnte ikkyo, jetzt aber entdecke ich eine neue Aikidowelt und nichts geht mehr… da sind auf einmal Disharmonien, ganz andere Aspekte die ich bisher nicht kannte. Dadurch ergibt sich jetzt eine art Neubeginn, aber ein Ende sehe ich noch nicht.

Ich will mich nicht herabstufen, aber wenn jemand mit einem starken ki kommt, dann kommt es vor, dass ich da nicht durch komme, meine Technik ist dann blockiert – ich muss noch mehr lernen um den älteren Kollegen besser zu verstehen oder um mein Ego zu disziplinieren.“
Was sagt dir in diesem Zusammenhang Kommunikation, frage ich Zenon. „Ich kann ja kein Französisch und erst recht kein Japanisch, aber wenn ich Tamura sehe, wenn er etwas vorführt, dann meine ich ihn zu verstehen – es kommt mir vor, als gebe es eine nonverbale Aikidosprache. Ich erinnere mich aber auch, dass ich in Paris einige Konflikte mit anderen Aikidoka hatte – mein Ego war etwas aus dem Ruder geraten, es war sehr sehr kompliziert – dadurch aber ist und blieb es interessant – und weil wir beide Interesse daran fanden, haben wir eine harmonische Lösung gefunden, keine ‚einfache Harmonie’, nein, eine gemeinsame Harmonie; so etwas hat einen besondereren Schwierigkeitsgrad.“

Und was ist ukemi für dich, Zenon? Wieder entweicht ihm ein „Ohh, ich habe ukemi gelernt, es ist Aufstehen – für mich ist es ein Weitergehen, nicht fallen. Fallen will niemand – meinen Schülern und Anfängern sage ich das ukemi ein japanisches Zauberwort ist…; denn ukemi ist auch ‚aite’ und ‚tori’ – jedenfalls habe ich jetzt, mit meinen 50 Jahren mein ukemi geändert, ich springe nicht mehr von 1,70m, dazu bin ich zu alt. Es ist ja zu nichts gut, auch wenn man in jungen Jahren solche Gedanken nicht hat – aber es ist zu nichts gut, außer dem eigenen Körper Schaden zu zufügen. Sicher ist auch, dass ukemi den Anfängern hilft Aikido zu verstehen.

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