Elftraud von Kalckreuth

…meine Fernsehfernbedienung liegt im Keller sagt die Ex-Fernsehansagerin.


E. von Kalkreuth, während des Interviews.

… da gab es wohl vor vielen, vielen Jahren, nämlich 1972 eine oder gar zwei Fernsehausstrahlungen, sehr wahrscheinlich im ZDF … So jedenfalls erfahre ich das in meinem Gespräch mit Dirk Kropp (Köln) im vergangenen Jahr. Auch Herr Galatti (Luzern/CH) sprach mich darauf an – ich erinnere mich, von der Sendung schon einige Male gehört zuhaben, aber gesehen habe ich sie nie. Denn „damals“ begann ich in Wiesbaden mit dem Aikido, und da war Elftraud (Elfi) mit auf der Matte, vielleicht sprach man auch über die Fernsehausstrahlung des noch wenig bekannten asiatischen Aikido – ich weiß es jedenfalls nicht mehr.

Heute nun, am 11. Oktober dieses Jahres fahre ich, wegen einer größeren Baustelle auf der Autobahn Mainz-Wiesbaden, über Umwege in Richtung ZDF/Mainz … mit anderen Worten ich fahre „Hinten herum“, eine Strecke die ich Jahrzehnte nicht mehr gefahren bin – dieses würde ich eigentlich nicht erwähnen, denn wen interessiert es, wo ich … ich war aber dermaßen erstaunt, bin es eigentlich noch immer, was in den Tiefen des Hirns „noch aus Urzeiten vorhanden ist“, sprich wie viele „déjà vu“ ich auf dieser relativ kurzen Fahrt hatte, das „haute mich fast um“. Bevor ich bei Elftraud von Kalckreuth klingelte musste ich erst einmal mein Hirn an der frischen Luft ein wenig reinigen.
Nach einer anfangs fremdelnden Begrüßung, schließlich sind seitdem einige Jahre ins Land gegangen, sprechen wir erst über einige wenige gemeinsame Tatamikontakte und über meine eben durch die Fahrt wieder lebendig gewordenen Erinnerungen, was dann auch Elftraud von Kalckreuth bewegte, sich mit ihren Erinnerungen zu öffnen.

Heute mit 72 ist Elftraud von Kalckreuth in der Therapie tätig [nach ihrem Vorruhestand studierte sie in den USA Psychotherapie und in Deutschland Logotherapie und Existenzanalyse]. Wenn es ihr in den Therapie-Sitzungen gelingt, den Hilfesuchenden zu einer anderen Sicht zu verhelfen, also zum Beispiel statt eines Problems vielmehr ein Projekt vor Augen zu haben, dann ist damit schon viel erreicht. Meiner Skepsis ob eines solch schnellen Erfolges in der Therapie begegnet Elftraud damit, dass es sich hier um erste Ansätze handele, nicht gleich ein Umsetzen in die Tat, und das beginnt mit dem Umdenken. Sie sieht sich, wie sie mir sagt, als eine Person, die auf verschiedenste Weise bemüht ist, hilfesuchenden Menschen den Blick zu weiten, weg vom Tunnelblick. Sie wird lebhaft und sagt, wesentlich lauter:„Ich habe gestern Abend noch überlegt, was mir vom Aikido geblieben ist und habe mir Notizen gemacht. Da ist zum Beispiel – ich weiß nicht, ob dir das was sagt – ‚der weiche Blick’ im Aikido. Also nicht den Partner anstarren, sondern alles aufnehmen, was links, rechts, drüber und drunter passiert, zu registrieren. Diesen ‚weichen Blick’ nehme ich in den psychologischen, therapeutischen oder seelsorgerlichen Bereich mit hinein, damit sich die Sicht weiten kann, weg vom verkniffenen, scharfen, verkrampften Schauen hin zu einem Blick, der alles erfassen kann, was die Schöpfung bietet. Wenn ich das den Menschen als Möglichkeit bewusst machte, können sie die einzelnen Elemente, die sich ihrem Sein bieten, in einer größeren Relation sehen und entsprechend einordnen.
Schon der Samurai lernte ein solches Schauen, nicht auf die Extremitäten fixiert, sondern weich die gesamte Umgebung erfassend. Dies ergibt zwar ein unscharfes Bild – unscharf aber heißt im übertragenen Sinn, wohlwollend. Mit einem weichen Blick kann ich nicht hassen. Denn der einzelne Mensch kann so kein Feind mehr sein, die Einzelheit ist keine Zumutung mehr – der Blick öffnet mir die Schöpfung als Ganzes, mit meinem Leben als Ganzes und mich mittendrin, mit meinen Einzelheiten, wie Krankheit, Tod, Verlust der Arbeit etc. Aber ich bin nicht der Arbeitslose, ich bin nicht der Kranke, nicht der Witwer, sondern ich bin so viel Anderes mehr. Wenn in einem Wochenendseminar nur dieser Gedanke verstanden wird, dann ist das schon eine befriedigende Grundlage, – hmm, was heißt ‚nur’, dass ist durchaus… Aber lass uns nun etwas arbeiten!“
„Ich denke wir sind schon mittendrin“, antworte ich leicht entschuldigend lächelnd, da das Band schon seit einiger Zeit mitläuft…
Also kommen wir zu der Frage nach dem „Aikidowerdegang“ und dem Beginn.
Und so, wie bei vielen Interviewpartnern, war es auch bei ihr: „Der Zufall. Denn eigentlich wollte ich Freunden beim Judo zuschauen, aber da war etwas anderes (Aikido) im Gange, und da ich nun schon einmal da war, setzte ich mich auf eine am Rand liegende Matte. Da ich schon immer gern auf meinen Füßen sitze – im Yoga nennt man das Diamantsitz –, tat ich dieses auch dort, mit der Folge, dass der Trainer zu mir kam und etwas mürrisch fragte, ob ich das schon könne oder noch lernen wolle. Ich fragte verdutzt, ‚wieso können?’ ‚Na ja’, antwortete er, ‚weil sie so dasitzen’. Meine Art des Sitzens war für ihn wohl ‚aikidolike’: Sie meinen ,Ob ich das lernen will? ich weiß es nicht’. Worauf er mir sagte, ich solle auf die Matte kommen, denn wenn ich da nur herumsäße, könnte ich nicht herausfinden, ob Aikido etwas für mich sei. So kam ich zum Aikido.

Das war 1970 – Frau Elftraud von Kalckreuth war damals Fernsehmoderatorin. Was dann, über Umwege, zu der im Lead angesprochenen ersten Aikido-Fernsehausstrahlung führte – welche so manchen Fernsehschauer zum Aikidoüben verführte.

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